NEWSLETTER 01/2005

 



DER EUROPÄISCHE EXEKUTIONSTITEL FÜR UNBESTRITTENE FORDERUNGEN



Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Gerichtsentscheidungen durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat zur Gründung eines reellen Gerichtsgebietes im Bereich der Ausführung der Gerichtsentscheidungen in Angelegenheiten wegen Bezahlung geführt.



Ein neuer europäischer Rechtsakt, der derzeit am weitesten in Richtung der Bildung eines einheitlichen Gerichtsgebietes gegangen ist, ist die Verordnung Nr. 805/2004 des Europa-Parlaments und des Europa-Rates vom 21. April 2004 über die Bestimmung eines europäischen Exekutionstitels für unbestrittene Forderungen.


Diese Verordnung ist am 21. Januar 2005 in Kraft getreten und gilt zur Gänze ab dem 21. Oktober 2005 in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden, die nach dem Inkrafttreten der Verordnung angefertigt oder registriert worden sind. Seine Attraktivität für den internationalen Rechtsverkehr bezieht sich auf die Vereinfachung der Prozedur, die dem Vollstreckungsverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat vorangeht. Die Verordnung verwendet dabei  den Verzicht der Mitgliedstaaten auf den ihnen zustehenden Teil ihrer Gewalt, Teil ihrer Gerichtsbarkeit (im Bereich der Bewilligung auf die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen) – Exequatur – durch:

 

  1. gegenseitige Anerkennung der Gerichtsentscheidungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
  2. Betrachtung dieser Entscheidungen für Vollstreckungszwecke so wie die inländischen Entscheidungen – soweit sie mit der sogenannten  Bestätigung des Europäischen Exekutionstitels versehen sind.

Die Verordnung wird bei den Zahlungsforderungen wegen Zahlung eines konkreten Geldbetrages angewendet, der fällig geworden ist oder dessen Fälligkeit in Gerichtsentscheidungen oder Gerichtshofentscheidungen der Mitgliedstaaten bestimmt wurde, aber auch in Beschlüssen, Exekutionsaufforderungen, Bescheiden über die Kosten der Gerichtsbeamten und den gleichen Dokumenten aber auch für die durch das Gericht bestätigten oder vor dem Gericht abgeschlossenen Vergleiche sowie öffentliche Dokumente, darunter bezüglich der Unterhaltsverpflichtungen (ausgegeben und unterschrieben von einer in dem jeweiligen Mitgliedstaat berechtigten Behörde), in welchen sich der Schuldner bezüglich der Forderung geeinigt hat.


Es handelt sich dabei um solche Geldforderungen, welche als die so genannten unbestrittenen Forderungen definiert sind, und in Bezug auf welche der Schuldner:

  1. seine Zustimmung für diese Forderungen – durch Anerkennung oder Vergleich geäußert hat,
  2. auf die Verteidigung verzichtet hat,
  3. trotz der anfänglichen Verneinung der Forderungen die Handlungen in dieser Sache eingestellt hat – was in der polnischen Zivilprozedur als Zustimmung zu den Behauptungen des Gläubigers (Art. 230 der polnischen Zivilverfahrensordnung) anerkannt werden kann.


Diese Verordnung führt also auch in das polnische Prozessrecht den Grundsatz ein, nach welchem im Exekutionsverfahren „eine Entscheidung, die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaates als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, im Hinblick auf die Vollstreckung so behandelt werden soll, als wäre sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen“,  unabhängig von dem Rechtskraftkriterium.

Dies bedeutet, dass einer solchen Entscheidung in Polen die Vollstreckungsklausel verliehen werden soll und diese zur Exekution übergeben werden soll.

Ist eine auf dieser Grundlage geführte Exekution unvermeidbar und unabweisbar ?
Auf eine so gestellte Frage ist mit „Nein“ zu antworten, obwohl die Anzahl der juristischen Instrumente, die der Verteidigung dienen können, wesentlich eingeschränkt wird.
Es entfallen die sachlichen Vorwürfe, die das Bestehen der Schuld verneinen und welche im Verlauf des Verfahrens über den Erlass der Entscheidung durch das Gericht oder durch den Gerichtshof eines Mitgliedstaates, die über die Begründetheit des Zahlungsanspruches entscheiden, geltend gemacht werden können und sollen. Das gleiche trifft für die Vorwürfe zu, die allein den Erlass einer Bestätigung des Europäischen Exekutionstitels in Frage stellen.
Weder die Entscheidung noch ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel dürfen im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Es bleiben also formelle (prozessuale) Vorwürfe, die sich entweder auf die Vorschriften der Verordnung Nr. 805/2004 oder auf die Vorschriften des Landesrechtes des Vollstreckungsmitgliedstaates stützen.


Zu den Ersten gehören:

  • Anträge, die die Aufhebung des Europäischen Exekutionstitel    bezwecken und an das Gericht des entscheidenden Landes – wegen der offensichtlichen Unbegründetheit seiner Ausgabe in Bezug auf die Verordnung Nr. 805/2004 - gerichtet sind,
  • Anträge an das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates auf Verweigerung der Vollstreckung in Folge der Kollision mit einer früheren Entscheidung (getroffen auf der gleichen Grundlage und für die gleichen Parteien, die der Anerkennung im vollstreckenden Mitgliedsstaat   und dem Vorwurf über die Unmöglichkeit der Versöhnung von Entscheidungen  im Gerichtsverfahren in dem die Entscheidung treffenden Mitgliedstaat unterliegen).


Zu den formellen (prozessualen) Mitteln nach der polnischen Zivilverfahrensordnung gehören vor allem die so genannten Gegenexekutionsklagen, formuliert nach den Art. 840ff der Zivilverfahrensordnung, insbesondere an Hand der bestehenden gegenseitigen Geldforderungen des Schuldners gegenüber dem Gläubiger.

Andrzej Mikulski


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