NEWSLETTER  03/2006

 

DIE ENTSENDUNG VON ARBEITNEHMERN ZUR ARBEIT IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND



Als Folge des polnischen EU-Beitritts wurden die grundlegenden Vorschriften des EU-Rechtes auch für polnische Unternehmer wirksam. Dies betrifft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, den freien Dienstleistungsverkehr sowie die Freiheit zur Unternehmensgründung.



Was ist der Sinn dieser Regelungen?



Diese Regeln sollen durch das EU-Recht die Bildung eines einheitlichen Binnenmarktes auf dem Gebiet der EU ermöglichen. Die Aufhebung aller formellen und juristischen Hindernisse beim Betreiben eines Gewerbes auf dem EU-Gebiet bezweckt die Entstehung eines solchen Marktraumes. Dies bedeutet, dass ein polnischer Unternehmer, wenn er eine wirtschaftliche Tätigkeit in einem beliebigen EU-Staat aufnimmt, nicht gezwungen ist, anderen Anforderungen zu genügen als ein Inlandsunternehmer.



Die Geltung der Regeln und Entsendung von Arbeitnehmern



Eine (ausnahmslose) Geltung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und des freien Dienstleistungsverkehrs in Bezug auf die sog. Entsendung von Arbeitnehmern könnte polnischen Exporteuren von Dienstleistungen sehr günstige Bedingungen schaffen. Würden die genannten Regeln ohne Ausnahmen gelten, so könnte ein polnischer Exporteur seine polnischen Arbeitnehmer uneingeschränkt zur Realisierung von Aufgaben auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, einschließlich der BRD, einsetzen. Unter solchen Bedingungen gäbe es auch keine Hindernisse dafür, dass ein polnischer Unternehmer, welcher als Arbeitsagentur tätig wäre, einem Geschäftspartner aus einem anderen Mitgliedstaat Arbeitnehmer, gemäß den Bestimmungen zur Überlassung von Zeitarbeitnehmern, vermittelt. Eine Anfechtung der flexiblen Verfügung über die Arbeitnehmer eines Unternehmens hätte dann in ähnlichen Verträgen wie einer Arbeitskraftvermittlung keine Grundlage.
Bis jedoch die sog. Übergangsphase abläuft, unterliegen die oben genannten Regeln einer ganzen Reihe von Einschränkungen.


Einschränkungen in Beziehungen mit der BRD



Ausnahmen in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Beziehungen zwischen Polen und der BRD wurden detailliert im Anhang Nr. XII zum Beitrittsvertrag beschrieben.


Akzeptiert wurde eine vollständige Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus Polen auf dem Gebiet der BRD erst sieben Jahre nach dem Beitritt Polens in die Europäischen Gemeinschaften. Daraus ergibt sich, dass Arbeitnehmer aus Polen erst nach Ablauf dieser Übergangsphase in der BRD Arbeitsverhältnisse frei aufnehmen können. Während der Übergangsphase werden die bisherigen Regeln der Reglementierung des deutschen Arbeitsmarktes beibehalten. Daher benötigt die Aufnahme eines ständigen Arbeitsverhältnisses vor dem Ablauf der Übergangsphase prinzipiell einer entsprechenden Bewilligung auf Basis der einschlägigen deutschen Vorschriften (Arbeitserlaubnis).


Als Resultat ist nicht einmal während der Übergangsphase eine solche Entsendung polnischer Arbeitnehmer möglich, welche zur Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen einem polnischen Arbeitgeber und einem deutschen Arbeitnehmer führen würde.


Analog dazu ist auch eine ungehinderte Entsendung polnischer Zeitarbeiter nicht möglich. Die Tätigkeit in diesem Bereich unterliegt denselben Beschränkungen wie die Aufnahme von Arbeitsverhältnissen durch herkömmliche Arbeitnehmer, da die Entsendung von Zeitarbeitern, als Beschäftigten einer polnischen Agentur, zu einer weiteren Anstellung bei einem Arbeitgeber in Deutschland, primär zur Übertragung der Führungs- und Verwaltungskompetenzen, an den deutschen Arbeitgeber führen würde, während die Abrechnungspflichten zu den Aufgaben der polnischen Arbeitsvermittlungsagentur gehören würden.



Chancen im Export von Dienstleistungen



Im Gegensatz zu den Einschränkungen im freien Verkehr der Arbeitnehmer, ist im Beitrittsvertrag keine allgemeine Übergangsphase in Bezug auf internationale Dienstleistungen vorgesehen. Nur einige wenige Mitgliedsstaaten – darunter auch die BRD  – haben in einem engen Bereich die Möglichkeit der Umsetzung von detaillierten Einschränkungen.


Deutschland kann auf Grund des Beitrittsvertrags in Bezug auf polnische Unternehmer  die sog. inneren Maßnahmen oder die aus bilateralen Verträgen hervorgehenden Maßnahmen anwenden, um den Zugang polnischer Unternehmer an den deutschen Dienstleistungsmarkt zu beschränken. Beschränkungen betreffen folgende Sektoren:

 

Gewerbe
NACE-Code, soweit nicht anders angegeben
Bau- und ähnliche Gewerbe   
45.1 zu 4; im Anhang der Richtlinie 96/71/WE genannte Tätigkeiten
Gebäudereinigung 74.70 Reinigung von Gebäuden
Andere Dienstleistungen 74.87 Ausschließlich die Tätigkeit von Innenausstattern


Einschränkung in den genannten Gewerben können auf den Arbeitsmärkten bis zum Ablauf der Übergangsphase andauern. Dies bedeutet, dass polnische Unternehmer im Baugewerbe sich an jene Vorschriften halten müssen, wie sie aus dem am 31. Januar 1990 zwischen den Regierungen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmer zur Realisierung von Werkverträge resultieren (Polnisches Gesetzblatt vom 16. September 1994). In Folge unterliegt die Entsendung polnischer Arbeitnehmer zur Ausführung von Bauarbeiten zugunsten deutscher Auftraggeber in der BRD den bisher geltenden Regeln und Beschränkungen für sieben Jahre nach dem EU-Beitritt Polens.



Varianten des Dienstleistungsexports mit Elementen der Entsendung von Arbeitnehmern

Jene Aufgaben, die den polnischen Arbeitnehmern von deutschen Auftraggebern anvertraut wurden, können auf zweifache Weise ausgeführt werden; in Frage kommen auch Mischvarianten.


Im ersten Fall kann der polnische Auftragnehmer Aufgaben für einen deutschen Auftraggeber bei Beibehaltung der vollständigen juristischen und organisatorischen Kontrolle über die eigenen Arbeitnehmer erfüllen. In dieser Variante  wird die Vergütung des polnischen Unternehmers üblicherweise gemäß dem Wert der zu erfüllenden Dienstleistungen bestimmt.
Die andere Variante beschränkt sich auf die zur Verfügungstellung von Arbeitnehmern und Gerät. In diesem Falle übernimmt der deutsche Auftraggeber die Kontrolle über die entsandten Arbeitnehmer und das Gerät. Die Vergütung wird dann meistens auf  Provisionsbasis vom Vertragswert bzw. des Umfangs der übergebenen Ressourcen berechnet.


Das wirtschaftliche Ziel, welches von dem deutschen Auftraggeber angestrebt wird, ist sowohl bei der ersten als auch zweiten Variante identisch – der Auftraggeber bekommt die bestellte Leistung. 
Die offene Frage, die sich an dieser Stelle stellt, lautet: Wie soll die Zusammenarbeit bei Erfüllung von Aufgaben zugunsten des deutschen Unternehmers organisiert werden, um dem Vorwurf zu entgehen, die Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern während der Übergangsphase zu verletzen?



Wie vermeidet man Vorwürfe der Beschränkungsverletzung?



Beschränkungen bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Erbringung von Dienstleistungen schließen, durch die Übertragung der rechtlichen und organisatorischen Kontrolle über die polnischen Arbeitnehmern auf die deutschen Unternehmer, die Entsendung von polnischen Arbeitnehmern aus. Dies bezieht sich auch auf die entsandten Arbeitnehmer in Gewerben, die in der obigen Tabelle angeführt wurden. Zugelassen sind lediglich solche Formen der Entsendung von polnischen Arbeitnehmern, welche die rechtliche und organisatorische Kontrolle dem polnischen Unternehmer belassen.
Je mehr die Beziehungen zwischen dem deutschen Auftraggeber und dem polnischen entsandten Arbeitnehmer einer Arbeitgerber-Arbeitnehmer-Beziehung ähneln, desto  größer das Risiko, dass solche Vorgehensweise als Verletzung der Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern eingestuft wird. Deswegen können alle Vertragsbeziehungen, welche Elemente der Übertragung von Arbeitgeberkompetenzen auf deutsche Auftraggeber beinhalten, als Verletzung der Freizügigkeit interpretiert werden. Daraus resultiert, dass diese Formen der Zusammenarbeit von polnischen Unternehmern und ihren deutschen Partnern, die an die Überlassung von Zeitarbeitnehmers anknüpfen, mit einem erheblichem Rechtsrisiko verbunden sind.


Riskant ist eine Festlegung der Vergütung auf Provisionsbasis, die nach Umfang der überlassenen Arbeitskraft berechnet wird. Viel sicherer ist die Beibehaltung aller Arbeitgeberkompetenzen auf Seite des polnischen Exporteurs der Dienstleistungen.


Die Berücksichtigung der obigen Anmerkungen schließt für den Dienstleistungsexporteur das Risiko, wie es mit den Zugangsbeschränkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt verbunden ist, aus. Diese Vorgehensweise ermöglicht allerdings nicht, Beschränkungen in den Bereichen Freiheit der Dienstleistungsausführung im Bau- und Reinigungsgewerbe sowie im Bezug auf die Tätigkeiten der Innenausstatter zu umgehen.


Mateusz Hołysz



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